Warum habt ihr das Projekt gestartet einen ganzen See in Russland MSC-zertifizieren zu lassen?

  • Einfache Antwort: aus Überzeugung. Aus einem anderen Grund macht man das kaum.
    Im Laufe der Zeit hatte sich gezeigt, dass das Eglifilet (Barschfilet) bei unseren Schweizer Kunden sehr beliebt ist. Neben Barsch ist Zander ein sehr leckerer Speisefisch. Aber uns war es ein Dorn im Auge, dass wir keine Ware anbieten konnten, die zertifiziert und nachhaltig gefangen ist. Es gab einfach keine.

Der See, auf dem seit 2016 Barsch und seit 2019 Zander unter dem MSC-Siegel gefangen wird, heißt Iriklinskoe Stausee und liegt in Russland. Wie seid ihr gerade auf diesen See aufmerksam geworden?

  • Zu der Zeit hatten wir schon einige Energie investiert und in Russland eine eigene Fischverarbeitung aufgebaut. Die Ware kam von verschiedenen kleinen Fischereien und eine ist uns dabei aufgefallen. Sie hatte immer Fische von sehr guter Qualität und diese arbeitete am Iriklinskoe Stausee.

Wie ist es dann weitergegangen?

  • An dem Stausee gab es damals noch keine Fischverarbeitung, aber jede Menge Fischer. Wir haben dort eine eigene Verarbeitung aufgebaut, denn je schneller der frische Fisch nach dem Fang ausgenommen, filetiert und tiefgefroren wird, umso besser ist die Qualität. Außerdem sind wir davon überzeugt, dass der Mehrwert von Fisch in der Region bleiben sollte, in der er aufwächst und gefangen wird. Der MSC-Zertifizierung waren wir mit dieser Überzeugung und Investition in die Region unbewusst ein Stück näher gekommen. Aber es war trotzdem noch ein langer Weg.
In der eigenen Fischverarbeitung wird die Ware von Hand verpackt. (Bild: followfood GmbH)

Ihr hattet also nun eine Produktion am Stausee, aber dort wurde noch nicht wirklich nach definierten nachhaltigen Regeln gefischt oder?

  • Ja. Es gab in der Sowjetunion immer schon Fangregeln und die gibt es immer noch. Korruption und wenig Kontrolle führen in Russland aber zu viel Schwarzfischerei in den Binnenseen. Die Seen wurden also beinahe leer gefischt. Bis der Bestand sich über einige Jahre hinweg langsam erholt hatte suchten sich die Menschen eine andere Arbeit. Aber weil mehr Export möglich wurde wollten auch immer mehr Fischer ein Stück vom Kuchen haben. Die Dörfer rund um die Seen wurden oft finanziell abhängig vom Handel mit Fisch. Da ist es natürlich problematisch, wenn wegen Überfischung für einige Jahre die Einnahmen ausbleiben.

Eine schwierige Situation. Wie habt ihr die Menschen von der nachhaltigen Fischerei überzeugen können?

  • Was uns dabei in die Karten gespielt hat war das neue Fischereigesetz, welches 2009 in Russland eingeführt wurde. Die bisherigen Fischereirechte – ein solches Recht muss ein Fischer besitzen, um fischen zu dürfen – wurden „eingesammelt“ und komplett neu vergeben. Ein Kriterium war dabei die Entfernung und Kapazität der Verarbeitung für den Fang. Und da waren wir mit Fish-Ka, der Verarbeitung am Stausee, gut aufgestellt. Wir bewarben uns also auf 30 % der ausgegebenen Berechtigungen für den Iriklinskoe Stausee. Das ist das Maximum was man bekommen kann. Und wir waren mit der Bewerbung erfolgreich.
    Aber wenn nur 30 % eines ganzen Sees nachhaltig bewirtschaftet werden funktioniert das nicht. Deshalb mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten.
Nach 4 Jahren Ruhezeit (Fangpause) gab es wieder etwa 30 Tonnen Zander, der die nötige Größe erreicht hat.(Bild: followfood GmbH)

Und das scheint gelungen zu sein.

  • Zum Glück. Ja. Wir konnten die Inhaber der restlichen 70 % der Berechtigungen überzeugen, dass es wichtig ist an einem Strang zu ziehen. Nur so können sie auch in Zukunft vom Fischfang leben. Wir riefen ein Bündnis ins Leben und vereinbarten eine Ruhezeit, in der keiner im See fischen darf. Nur so haben die Bestände die Möglichkeit sich zu erholen.
    Da war es auch von Vorteil, dass verschiedene Flüsse in diesen Stausee fließen und ihn mit Nährstoffen versorgen. Optimale Bedingungen für die Fische.
    Besonders der Zander erholte sich zügig. Er ist ein Raubfisch, wächst schnell und kann sich schon nach relativ kurzer Zeit fortpflanzen. So gab es nach 4 Jahren Ruhezeit wieder etwa 30 Tonnen Zander, der die nötige Größe erreicht hat.

 

"Im Laufe der Zeit sehen die Fischer, dass mit der nachhaltigen Fischerei Planbarkeit bei den Mengen und ein sicheres Einkommen einhergehen." (Bild: followfood GmbH)

Das ist natürlich ein großer Erfolg. Was war noch notwendig für die Zertifizierung nach den Richtlinien des MSC?

  • Für eine solche Zertifizierung muss man nachweisen, dass ein Management umgesetzt wird. Das definiert klare Regeln für die Fischerei und stellt einen nachhaltigen Fischfang und Kontrollen sicher. Wir haben 30 kleine Fischerboote angeschafft, jeweils ausgelegt auf ein bis zwei Mann, und neue Stellnetze. Diese haben eine Maschenweite von 30-36 mm für Barsch und 50-70 mm für Zander, damit nicht die Fische ins Netz gehen, die noch zu klein sind.

Eine ganze Menge Arbeit. 2016 und 2019 wurde das Ziel jedoch erreicht.

  • Die Prüfung für Barsch haben wir 2016 erfolgreich bestanden. Und 2019 folgte die Zertifizierung des Zanders. Wir haben die strengen Nachhaltigkeitskriterien des Marine Stewardship Council in der russischen Provinz verankert und eine ganze – wenn auch kleine – Fischerei umgestellt und auf Nachhaltigkeit getrimmt. Das macht schon ein wenig stolz.
    70 bis 100 Tonnen Barsch Filet und ca. 45-50 Tonnen Zander Filet können mittlerweile jährlich produziert und mit dem MSC-Zertifikat vermarktet werden. Auch für eine Binnenfischerei verhältnismäßig wenig. Ein ganz anderer Punkt ist aber entscheidend: Mit dem Projekt konnten wir eine ganz andere Denk- und Arbeitsweise am See etablieren. Im Laufe der Zeit sehen die Fischer, dass mit der nachhaltigen Fischerei Planbarkeit bei den Mengen und ein sicheres Einkommen einhergehen. Neben dem Aufpreis, den die Anstrengungen uns Verbrauchern Wert sein müssen.

Trotz der eindeutigen Vorteile gibt es allerdings, neben dem Projekt am Iriklinskoe Stausee, weltweit nur fünf weitere Fischereien für Zander die durch MSC zertifiziert sind. Was ist der Grund dafür?

  • Ganz genau kann ich das leider auch nicht sagen. Es ist schade, aber die Zertifizierung ist in der Binnenfischerei selten. Man macht es hauptsächlich aus Überzeugung. Wir haben ja selbst gesehen, wie lang der Weg ist und wie viele Hürden es gibt.
    Letztendlich sind wir als Verbraucher verantwortlich. Denn mit unserer Entscheidung für zertifizierte Fischprodukte, für einen Aufpreis und damit für nachhaltige Fischerei wird der Erfolg für Projekte wie unseres überhaupt erst ermöglicht.

Eine Fischerei ohne Nachhaltigkeit ist eine Sackgasse und kann nie eine Lösung für Ernährungsfragen zukunftsfähiger Ernährung sein. Mehr zu Fischen als nachwächst mag für ein Jahr einen wirtschaftlichen Vorteil haben, zerstört aber die Lebensgrundlage künftiger Jahre. Daher gehen wir mit unseren eigenen Fischereirichtlinien noch einen Schritt weiter.