Die Ankunft zu Fuß.

Eben noch ist man auf 12.000 Meter und plötzlich geht es runter auf gerade mal 1 Meter über dem Meeresspiegel. Es ist 21:00 Uhr. Herzlich Willkommen auf Malé, der Hauptstadt der Malediven. Auf Malé wohnen knapp 40% aller Einwohner:innen des Inselstaates und machen sie mit 47.415 Einwohner:innen/km² zur am dichtesten besiedelten Stadt der Welt.

Von Malé aus dreht sich alles, ob internationale Flüge oder der komplette Güter- und Warenstrom von und auf die Malediven. Für diesen Tag gibt es keine Verbindung mehr in den Süden auf das Laamu-Atoll, dem eigentlichen Ziel dieser Reise. So heißt es, die Flughafeninsel verlassen und mit dem Shuttleboot (für 50 Cent) auf die Hauptinsel übersetzen. Die Fahrt dauert knappe 15 Minuten. Auf dem Boot befinden sich hauptsächlich einheimische Arbeiter:innen auf ihrem Weg nach Hause.

Auf der Hauptinsel angekommen braucht es nur wenige Schritte, um das Gepäck ins Hotelzimmer zu werfen, eine Kleinigkeit zu essen und die langen Anreise zu beenden. Am nächsten Morgen geht der Flug um 05:30 Uhr Richtung Maandhoo weiter. Gute Nacht.

Am nächsten Morgen beträgt die Flugzeit 40 Minuten. Das Wetter ist wie angekündigt sehr rau, stürmisch und regnerisch. Für den Fischfang keine guten Bedingungen. Die meisten Fischer:innen bleiben in ihren Heimathäfen und laufen nicht aus. Um die Zeit an Land nicht untätig zu verbringen, wird kurzerhand ein Treffen der Fairtrade-Fischer:innen einberufen. Bei dem Treffen werden aktuelle Themen, Fischfänge, Fischbestände und neue Tracking-Methoden besprochen. Die Stimmung ist gut, dennoch spürt man eine Unruhe. Die Fischer:innen wollen aufs Wasser.

Anflug auf Maandhoo Island (Foto von Johannes Pflug)

Warten gehört zum Beruf der Fischer:innen.

Auch für den folgenden Tag sagt der Wetterbericht keine Besserung voraus. Ein paar wenige Fischer:innen entschließen sich dennoch, ihr Glück zu versuchen, darunter auch die Crew der Villa Vaali 13, unserem Boot, das wir auf dem kommenden Fischtrip begleiten werden.

Der Thunfischfang besteht im Großen und Ganzen aus drei Schritten: 1. Köderfische fangen, 2. Thunfisch-Schwarm finden und fischen und dann 3. den Fang des Tages anlanden.

Der Arbeitstag der Fischer:innen beginnt um 15:00 Uhr am Vortag des eigentlichen Thunfischfangs. Wir legen ab. Es müssen Köderfische gefunden und gefangen werden. Diese kleinen Fische dienen beim Fang auf die Thunfische als Lockmittel. Die lebenden Köder werden in Tanks auf dem Boot mit zu den Thunfisch-Fanggründen gebracht. Doch bevor diese für den Fang eingesetzt werden können, müssen die Köderfische erst noch aufgespürt und gefangen werden. Sie werden innerhalb der Atolle gefischt. Wo sich die besten Schwärme aufhalten, ist ein gut gehütetes Geheimnis und wird nur unter eng befreundeten Kapitän:innen ausgetauscht. Köderfische sind ein bedeutender Faktor beim Thunfischfang. Ohne Futterfische gibt es auch nur eine geringe Chance auf einen guten Fang. Am Ort für den Futterfischfang angekommen, wird geankert und alles für den Fang vorbereitet.

Netze werden an Deck ausgelegt und sortiert. Die Beleuchtungsanlage wird montiert, aufs Wasser gerichtet und in Betrieb genommen. Jetzt heißt es abwarten bis genügend Fische vom Licht angezogen wurden und sich um das Boot versammelt haben. Die Wartezeit überbrückt die Crew mit Gesprächen, den neuesten Bollywood-Filmen, Telefonaten mit der Familie und allem voran dem Abendessen, welches einen großen Stellenwert unter der Crew einnimmt. Gegen 18:00 Uhr verschwinden alle in den zwei Mannschaftskajüten und ruhen sich vor dem anstehenden Fang noch einmal aus. Gegen 22:00 Uhr wird zum ersten Fang gerufen. Hierzu wird seitlich vom Boot ein Netz befestigt und zu Grund gelassen. Ein Teil der Crew springt mit dem Netz ins Wasser, die Männer ziehen an Seilen das andere Ende des Netzes am Grund entlang und vom Boot weg.

Anschließend wird das Netz von beiden Seiten gleichzeitig an die Oberfläche geholt. Die Männer an Bord und die Männer im Wasser ziehen im selben Rhythmus das Netz nach oben. Die Fische, die sich im Netz befinden werden behutsam abgeschöpft und in großen Wassertanks gesammelt. Dieser Vorgang wird ein paarmal wiederholt. Werden hierbei zu wenige Fische gefangen, wird abgebrochen und nach ein paar Stunden ein neuer Versuch gestartet. Es kommt nicht selten vor, dass hierzu 3 bis 4 Anläufe nötig sind und die letzten Köderfische erst kurz vor Morgengrauen an Bord geholt werden.

Köderfische werden gefangen (Foto von Johannes Pflug)

Seevögel zeigen den Weg zu den Köderfischen.

Heute haben wir Glück und die Tanks sind gut gefüllt. Nun heißt es noch einmal ausruhen und Kräfte sammeln für den anstehenden Thunfischfang. Gegen 04:00 Uhr macht sich der Mannschaftskoch an die Vorbereitungen fürs Frühstück. Es Gibt Fisch-Curry und Kokosnuss-Rooshi (eine Art Pfannkuchen, bestehend aus Mehl, Kokosnussflocken, Salz, Öl und Wasser). Während sich der Duft aus der Küche über das Boot verbreitet, wird der Anker gelichtet und die Crew bereitet alles für die Fahrt vor. Raus aus dem Atoll, hinaus auf den Ozean. Ziel ist es, bei Sonnenaufgang mit dem Thunfischfang beginnen zu können.

Der Kapitän steuert das Boot zielstrebig auf eine sich ins Wasser stürzende Kolonie Seevögel zu. Die Seevögel jagen kleinere Fische, die sie im Sturzflug aus dem Wasser holen. In den Schuppen dieser kleinen Fische möchte man nicht stecken. Von oben jagen die Seevögel von unten kommen die Thunfische.

Wir sind angekommen und tatsächlich, es sind Thunfische, die das Wasser zum Kochen zu bringen scheinen. Hektik kommt auf. Angeln werden bereit gelegt, die Wasserdüsen am Heck eingeschaltet, das Deck für den Fang vorbereitet, die Mannschaft geht auf ihre Posten, es kann losgehen. Der Kapitän dreht das Boot, Futterfische werden mit kleinen Keschern aus dem Tank geholt und seitlich vom Boot ins Wasser geworfen.

Köderfische werden ausgesetzt (Foto von Johannes Pflug)

Mit dieser Technik wird der Thunfischschwarm von seinem eigentlichen Ziel abgelenkt und versammelt sich hinter dem nun langsam fahrenden Boot. Das aus den Wasserdüsen am Heck sprühende Wasser simuliert springende Fische auf dem Wasser und regt die Thunfische zusätzlich an. Nun beginnt das eigentliche Angeln. Die Ruten werden ins Wasser gehalten, es dauert nicht lange bis die ersten Thunfische beißen und durch einen kurzen aber entschlossenen Zug an der Angel aus dem Wasser gezogen und an Deck geholt werden.

Thunfischfang (Foto von Johannes Pflug)

Vier Tonnen Thunfisch - mit der Hand gefangen.

Mehr und mehr Fische beißen. Im Sekundentakt werden die Thunfische an Bord geholt.

Mit dieser traditionellen und anstrengenden Fangmethode zieht die Crew an diesem Tage vier Tonnen Skipjack-Thunfische aus dem Wasser. Der Fang findet in mehreren Anläufen statt. Zwischen den einzelnen Fängen werden die gefangen Fische unter Deck gebracht und gekühlt. Nach 3 intensiven Stunden des Fanges ist es für diesen Tag geschafft, der letzte Fang wird unter Deck gebracht. Nun wird Kurs auf die Produktionsstätte auf Maandhoo genommen. Hier wird der Fang eines jeden Tages entgegengenommen und fangfrisch verarbeitet. So auch die von uns gefangenen Thunfische.

Es ist 13:00 Uhr und der Arbeitstag der Fischer:innen neigt sich dem Ende zu. Nach dem Entladen geht es zurück in den 30 Minuten entfernten Heimathafen der Villa Vaali 13. Dort angekommen verlassen einige Fischer:innen das Boot, um Einkäufe zu tätigen oder ihren Familien einen kurzen Besuch abzustatten. Andere Fischer:innen bleiben auf dem Boot. Am späten Nachmittag läuft das Boot erneut aus. Der Kapitän und mit ihm die gesamte Crew freuen sich, dass sich das Wetter endlich zu beruhigen scheint und die Fänge wieder besser werden.

Mir bleibt nur, mich für die viele Arbeit zu bedanken und unsere Achtung vor der Anstrengung zu zeigen, die in jedem einzelnen Thunfisch steckt, den die Crew der Villa Vaali 13 für uns fängt. Vielen Dank!